Friday, July 14, 2017

Ikebana

Ich habe keinen grünen Daumen. So gar nicht. Nicht nur fallen die Blüten von schönen Gewächsen ab und verdursten meine Geburtstags-Bouquets in wenigen Tagen, wenn sie meine Mama nicht rettet, nein.. ich lasse alles knusprig braun werden und töte Kakteen.

Zu meiner eigenen Überraschung fand ich mich eines abends an meiner Uni in einem Ikebana Kurs wieder. Ich dachte, ich müsse der japanischen Kultur mehr Beachtung schenken, eine tradtionelle Kunst lernen. Und dies tat ich an diesem Abend, als einziger westlicher Ausländer, in einer Gruppe von Japanern, die mir nur die komplizierte Höflichkeitssprache an den Kopf warfen. Willkommen fühlte ich mich nicht, aber ich war intressiert und hoch motiviert.

Ich bekam meinen Platz zugewiesen, weit weg von den anderen, zusammengesteckt mit zwei Chinesinnen und einem Koreaner, welche sich auch auf dieses Abenteuer eingelassen hatten. Vor jedem von uns lag ein Bündel Lilien und Grünzeug, eine grosse Keramikschale, ein metallenes Nagelbrett (auch genannt Ikebana Igel, oder auf japanisch Kenzan), eine Blumenschere, ein kleines Büchlein zur Einführung in die Kunst des Blumenarrangierens mit 30 Lektionen.

Dann wurden wir nach vorne zur Tafel getrommelt. Kurze Erklärungen zu den Grundlagen in Ikebana folgten. Die wichtigsten Regeln saugte ich gleich auf:

1. Die Gestecke dürfen niemals symmetrisch ausgerichtet werden.
2. Ein Gesteck hat immer 3 Ebenen, ein langes Element, eines auf halber Höhe, ein Element an der Basis.
3. Das Element an der Basis sind immer die Blumen. Blumen werden niemals in den zwei oberen Ebenen verwendet.
4. Die Winkel sind wichtig! Während das längste Element von einer gedachten Vertikale nur etwa 5-10grad abweichen soll, sollte das mittlere Element mit etwa 20-30grad abweichen und die unteren Elemente dürfen 50 oder mehr grad abweichen. Konkret: es ergiebt sich ein unten gestrüppigeres, voluminöseres Erscheinungsbild, und oben scheinen die Elemente weiter gegen Himmel zu streben.
5. Die Wahl des Zweiges, ist extrem wichtig. Genau so wichtig, wie das Platzieren auf dem Kenzan, wenn nicht sogar wichtiger. Denn jeder Zweig sollte die optimale optische Wirkung erzielen. Man hat ja schliesslich nur wenige Elemente. Motto: minimaler Eingriff, maximale Wirkung.

An meinem Arbeitsplatz fing ich also an meine Zweige zu betrachten, zu drehen, probeweise hochzuhalten und so zu tun, als hätte ich tatsächlich eine Ahnung was ich da tue. Nach 10 Minuten des inneren Debbatierens kam mal die Kursleiterin vorbei um sich zu erkundigen, ob ich schon einen guten Zweig gefunden hätte. Der grosse Moment war gekommen. Würde ich mich mit meiner Wahl blamieren? Hatte ich verstanden worums geht? Zögerlich hielt ich ihr einen grünen langen Zweig entgegen. "Der hier? Ich glaube die Länge ist gut und mit gefällt die Biegung."

Ausdrucksloses Gesicht. Sekunden der Anspannung. Dann ein kräftiges Nicken und ein kleines Lächeln. "Ja, Ihre Wahl ist sehr gut, ich denke auch, dass sich der Zweig ausgezeichnet eignet. Na los, platzieren Sie ihn!". Mit leicht zitterneden Händen fange ich an den Zweig rumzudrehen, vor mich zu halten und nähere mich dem Kenzan. Platziert. Neben mir heftiges Nicken. "Ja, ja, weitermachen!". Ich entspanne mich für einen Moment und nuschle in meinen verbleibenden Zweigen herum, um mich der zweiten Ebenen zu nähern.

Hinter mir spielte sich gleichzeitig ein Drama ab. Ich höre ein "Nein nein nein! Haaa.. Haben Sie denn nicht ins Buch geguckt? Jetzt haben Sie alle Zweige schon zu kurz geschnitten.. hmm... Sehen Sie mal zu, dass Sie das noch retten können". Ein kleiner Blick nach hinten enthüllt die Aussicht auf das fix-fertige Gesteck des Koreaners. Der arme Kerl war wohl zu schnell für diese kontemplative Arbeit.


Als ich mein Werk nach etwa einer Stunde vollendet habe, steht die Kursleiterin wieder neben mir. Sie zupft ein bisschen hier, ein bisschen da. "In ein paar Minuten kommt unsere Mentorin. Sie ist Ikebana Künstlerin und steht uns mit Rat und Tat zur Seite. Sie wird Eure Werke begutachten und korrigieren.", sagts und lässt mich sitzen. Mir wird wieder mulmig. Oh weh, jetzt wird mein Gesteck noch einer Kritik unterzogen.

Als besagte Mentorin hereinflockt, sind meine Nerven gespannt wie Drahtseile. "Ja, Tagchen auch, wer ist schon fertig? Wo darf ich gucken?", ohne Vorstellung oder sonst was, wird auf mein Gesteck gezeigt und schon habe ich die namenslose Mentorin mit Lockenfrisur neben mir stehen. Sie dreht mein Gesteck. "Das erste Mal?", fragt Sie mich. "Ja.", antworte ich etwas steif. Nach ein paar Handgriffen folgt schon ihr Urteil: "Prächtig! Na da haben wir ein Naturtalent! Sicher das erste Mal? Hast du noch Grünzeug über? Verdeck damit den Kenzan, den sollte man nicht sehen. Dann mach ein Foto, dann kannst du eine Dokumentation von deinen Lernfortschritten machen.". Die Kursleiterin springt herbei und ruckelt meinen Tisch vors Fenster, damit ich besagtes Foto aufnehmen kann. Ich bin für einen Moment sehr sehr glücklich und finde mein langweiliges Gesteck nun doch gar nicht mehr so doof. Die Zweifel sind verflogen.. 'Naturtalent', hat Sie gesagt.. es klingt noch in meinen Ohren.


Obwohl ich mich tatsächlich bis zum Ende nicht besonders wohl gefühlt hatte und es später auch nicht geschafft habe in den Ikebana Club zu kommen, war es eine tolle Erfahrung. Und ich denke tatsächlich darüber nach der Botanik nochmal eine Chance zu geben. Vielleicht bin ich gar keine Kakteen Killerin. Vielleicht war ich einfach nicht bereit für photosynsthetisierende Freunde.

Monday, July 10, 2017

Ich lebe noch, wirklich

Ja, aber warum gibts denn hier trotzdem nix Neues zu lesen? Eine berechtigte Frage.

Die Antwort darauf ist relativ persönlich, aber trotzdem möchte ich sie teilen. Also ein kleiner Erklärungsversuch: Es ging mir zweitweise in meinem Austausch nicht besonders gut. Schon zu Beginn musste ich viele Enttäuschungen und Frust wegstecken. Ich bin mit der Wahl meiner Uni nicht besonders zufrieden, es könnte aber auch einfach an der Art und Weise der Handhabung in Japan ganz allgemein liegen. Ist auch nicht besonders wichtig für mein kurzes Statement hier.

Auf jeden Fall habe ich ziemlich die Lust am Schreiben, Fotografieren, Lernen, ja eigentlich an allem verloren. Aber mit der Aussicht bald nach Hause zu kehren, bessert sich meine Stimmung Stück für Stück, und obwohl es immer noch sehr sehr viel Kraft kostet, immer wieder aufzustehen und weiter zu machen, möchte ich diesen Blog hier nicht aufgeben! Daher bemühe ich mich ab heute noch einmal Gas zu geben und soviel es geht nachzutragen und dann frisch und fröhlich weiter zu machen, wenn ich wieder in der Heimat Fuss gefasst habe.

Das Leben ist nicht nur schwarz-weiss, auch wenn es einem oft sehr grau in grau vorkommt. Aber solange ein Farbtupfer übrig bleibt, gehts weiter. Denn Kreativität stirbt nicht. Cheers aus Japan, von einer, die nicht aufgeben mag, auch wenn sie niedergeknockt wurde.